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Das Rätsel der profanen Obergeschoße

Auswirkung der Kirchenbautradition in der Ostmark

Die Impulse für die Burggrafschaft Regensburg und die Landgrafschaft Riedenburg und Stefling

Nach diesen Ausführungen besteht kaum ein Zweifel daran, dass es die Markgrafentochter Bertha von Babenberg war, welche durch ihre Ehe mit Burggraf Heinrich III. von Regensburg die architektonischen Ideen ihrer Heimat nach Bayern und in die Burggrafenfamilie hineintrug und die notwendigen Impulse dafür gab, dass auch dort im Rahmen der Neugründung von Pfarrgemeinden die flächenhafte Errichtung der Landkirchen mit profanem Obergeschoß in Gang kam. Die papsttreuen und kirchenfreundlichen Babenberger [01] hatten sich schon länger einem solchen Programm, z. T. durch Teilung alter Pfarrsprengel, verschrieben und sie hatten aufgrund ihrer ausgesprochenen Grenzlage im Reich auch die länger zurückreichende Erfahrung im Schutzkirchenbau. Dieser Vorsprung kam nun durch die familiäre Verbindung der Burggrafenfamilie mit dem Babenberger Haus auch in Teilen des Herzogtums Bayerns zum Tragen.

Bertha und ihre österreichischen Verwandten werden Burggraf Heinrich III. von ihren positiven Erfahrungen mit den Kirchen mit Profangeschoßen bei Invasionen berichtet haben; seine Besuche in der Heimat der Gattin, bei denen er die Babenberger Landkirchen sah, trugen das ihre dazu bei, den Grafen zum Bau gleichartiger Kirchen in seiner Burggrafschaft zu stimulieren, zumal sich dort dieselben Notwendigkeiten ergaben wie in der Ostmark.

Steinmetzzeichen in Form eines stilisierten "Tau" an der Eckquaderung der Kirche von Schönfeld.
Vielleicht war es die Burggräfin persönlich, die vom Unterlauf der Donau die kunstfertigen Steinmetze ins Land holte, welche besonders schöne Kirchen, z. B. die Kirche von Schönfeld bei Wald, bauten. Zumindest finden sich in Hainburg und Umgebung, in den Stiften Heiligenkreuz und Zwettl romanische Bauteile [02], welche sehr ähnliche Steinmetzzeichen in Form stilisierter Kreuze und "Tau"s aufweisen. Es kam nicht zu einem einseitigen Kopieren, sondern vielmehr zu einer wechselseitigen Befruchtung: Burggraf Heinrich überzog nicht nur sein eigenes Land mit einem Netz derartiger Kirchen, sondern er ließ seinerseits auch Kirchen in Niederösterreich errichten, wie wir am Beispiel von St. Oswald gesehen haben.

Natürlich blieben die direkten Aktivitäten der Burggrafen auf ihren Besitz bei Persenbeug und in den nördlich davon gelegenen Waldgegenden beschränkt, aber sie erschöpften sich vermutlich nicht in den geschilderten Begebenheiten. In Zusammenhang mit einer nördlich des Machlandes um 1147 errichteten Kirche treffen wir auf den Namen "Neukirchen" und 2 Jahrhunderte später bei der Entwicklung des Ortes auf den Namen "Papneukirchen", was auf eine Gründungsperson namens "Pabo" und damit auf einen Leitnamen des Pabonengeschlechts verweist. Sind auch hier die Burggrafen von Regensburg beteiligt gewesen, deren erster, Pabo I., bereits Teile des Nordwaldes zum Lehen bekommen hatte? Gewissheit hierüber wird es nicht geben, aber möglich ist dies schon. [03]

Dass sich die wechselseitigen Beziehungen der Herrscherfamilien über Burggraf Heinrich III. hinaus bis in die letzte Burggrafengeneration hinein erstreckten, ist indes sicher:

Heinrichs Sohn Friedrich, der den Vertrag von St. Oswald schloss, hielt sich wegen des zeitweisen Machtverlustes in der Burggrafschaft Regensburg, besonders nach dem Weggang seines Vaters, viel in der alten Heimat seiner verstorbenen Mutter Bertha auf.

Heinrichs Neffe gleichen Namens, Landgraf Heinrich von Stefling, heiratete Richardis, die einzige Tochter Heinrichs II. Jasomirgott aus dessen erster Ehe mit Gertrud von Braunschweig, wodurch es gelang, die Kontakte nach Österreich nochmals zu beleben. Landgräfin Richardis kehrte, nachdem sie ihren Mann und ihren Sohn Otto, den letzten Landgrafen von Stefling, verloren hatte, in ihre alte Heimat zurück und verbrachte die letzten Jahre in Unterwaltersdorf südlich von Wien, gerade dort, wo wir eine weitere Kirche mit profanem Obergeschoß feststellten. Noch im April des Jahres 1197, also kurz vor ihrem Tod, machte sich ihr Neffe, Herzog Friedrich I., auf und schenkte seinerseits den Zisterziensern von Walderbach in der Oberpfalz die Besitz- und Gerichtsrechte von Gottsdorf und Metzling bei Persenbeug, die nach Aussterben der Steflinger Linie auf ihn gekommen waren [04]. Dieser Herzog kehrte vom Dritten Kreuzzug nicht zurück, er fiel 1198. Seine Gebeine wurden später neben seinem Vater und seiner Tante Richardis im Kloster Heiligenkreuz bestattet.

Die namentlich nicht bekannte Tochter Burggraf Heinrichs III. aus zweiter Ehe hatte sich in das Grafenhaus Hohenburg verheiratet, in jene Dynastenfamilie, die nicht nur im Nordgau, sondern auch hunderte Kilometer entfernt, im Horner Becken die Grafschaft Poigen-Wildberg und Herrschaft Ernstbrunn (letztere mit der Obergeschoßkirche Michelstetten) innehatte. Im Jahr 1156 wurde diese Herrschaft mit der zum Herzogtum erhobenen Mark vereinigt [05]. Die Dynastie hinterließ dort nicht nur die Burg Wildberg - heute ein ansehnliches Schloss -, sondern im Bereich der Grenze zum Babenberger Land, am Kamp zwischen dem Benediktinerstift Altenburg und dem Burgenkomplex Gars-Thunau, eine Burg, von der sich heute nur noch geringe Reste an der Basis des Bergfrieds finden. Diese um 1175 entstandene Festung erhielt den bezeichnenden Pabonennamen Rosenburg [06]! Der Nachfolgebau, das Renaissanceschloss Rosenburg, wird heute als eine der größten Attraktionen Niederösterreichs von mehr als 60000 Besuchern alljährlich besichtigt. Vielleicht setzte sich Burggraf Heinrichs Tochter damals, als der romanische Vorgängerbau entstand, für den speziellen Namen "Rosenburg" ein - als Reminiszenz an ihr Vaterschloss im Altmühltal! Dies liegt auch deshalb nahe, weil sich etwas nördlich der Rosenburg, nahe der Stadt Horn, auf einer Terrasse über der Taffa die Reste einer abgegangenen Niederungsburg finden, die einst zum "Poigreich" gehörte und denselben Namen trug wie die Ansiedlung zu Füßen der Altmühltaler Rosenburg, nämlich "Riedenburg", mit einer Nikolauskirche aus derselben Zeit [07].

Verblüffende Namensanalogien angesichts der großen räumlichen Distanz!

Einordnung der Kirchen mit Profangeschoß in Altbayern vor dem biographischen Hintergrund

Durch die Aufarbeitung der Lebensgeschichte der Burggrafen von Regensburg und der Landgrafen von Stefling sowie der besonderen Zeitumstände, denen sie in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert unterlagen, lassen sich also wertvolle Hinweise für die historische Bewertung der romanischen Landkirchen mit profanem Obergeschoß in Altbayern gewinnen. Es handelt sich um Informationen, wie sie aus der kunsthistorischen Analyse allein nicht zu erhalten gewesen wären.

Wenn man akzeptiert, dass ein amtierender Burggraf von Regensburg mit seiner Familie den Ideenraum für diese besonderen Kirchen schuf, so können und müssen wir vornehmlich auf Burggraf Heinrich III. von Regensburg fokussieren. Er war es, welcher in den 50er und 60er Jahren des 12. Jahrhunderts all die Voraussetzungen in sich vereinigte, die man brauchte, um den Kirchenbau in größerem Umfang in Gang zu setzen. Dass ihn sein Bruder, Landgraf Otto II. von Stefling, und seine Familie bei diesem Vorhaben unterstützte, oder dass wir die Namen der Berater und Baumeister nicht kennen, die sich bei der Errichtung von Obergeschoßkirchen engagierten, tut diesem Alleinstellungsmerkmal keinen Abbruch.

Während das Herzogtum Bayern in jenem 12. Jahrhundert aus politischen Gründen allezeit eher schwach blieb und mit der Erschließung des Landes wenig zu tun hatte, dominierten, kultivierten und regierten die Mitglieder der Pabonenfamilie gemeinsam eine Landmasse in Kernbayern, welches sich mit der Burggrafschaft Regensburg als Zentrum über eine große Fläche erstreckte - vom östlichen Kelsgau bis hinauf nach Eichstätt und zur westlichen Westermannmark und in die nördliche Oberpfalz, von der östlichen Grenze des bayerischen Vorwaldes über die Isarauen um Landshut und die südliche Hallertau bis hinüber zum Flüsschen Paar und zurück an die Donau.

Heinrich III. übernahm nicht nur das Erbe eines erfolgreich agierenden Vaters, sondern gewann obendrein mit der Einheirat in die Babenberger-Familie erheblichen Reichtum und Einfluss hinzu. Schon in den Jahren vor Übernahme des Burggrafenamtes baute Heinrich III. die Stammsitze seiner Familie und eine Reihe von Regensburger Klöstern auf. Allen Projekten voran ist die Renovierung des Schottenklosters St. Jakob in Regensburg und die Errichtung der Rosenburg hoch über der Altmühl zu nennen.

Seine Position als Burggraf der Reichsstadt Regensburg, die gegen Ende des Jahrhunderts bis zu einer Einwohnerzahl von ca. 10 000 Menschen anwuchs, ja allein seine Beteiligung am Brückenzoll der Steinernen Brücke, schwemmte zusätzlich reichlich Gelder in die Kasse. Eine derartige wirtschaftliche Macht war die Voraussetzung für die Finanzierung der romanischen Landkirchen mit Profangeschoß, die größtenteils mit einem konstruktiven Aufwand errichtet wurden, den spätere Generationen nicht mehr gewährleisten konnten.

Diese Machtanhäufung war aber auch der Grund, warum Kaiser Friedrich Barbarossa von Anfang an begehrlich auf das Burggrafenamt sah.

Nach dem vom Kaiser inszenierten Schisma in Rom, welches die Gläubigen in Bayern spaltete und in Gewissenskonflikte stürzte, wurde der Schutz von Verfolgten zu einem vorrangigen Ziel des frommen und rechtgläubigen Burggrafen. Als er sah, dass seine Landsleute wegen ihres Glaubens verfolgt wurden und um ihr Leben fürchten mussten, entwickelte er das Konzept, in seinem Einflussgebiet Kirchen mit aufgesetzten Schutzräumen für Verfolgte errichten zu lassen.

Die Anregung hierzu bezog er von seiner Gattin Bertha und ihrer Familie, den Markgrafen von Österreich. Aus seinen Aktivitäten um Land und Leute ist erkennbar, dass Heinrich III. dabei nicht nur der Tradition seines Vaters Otto I. von Riedenburg, sondern auch der seines Schwiegervaters Leopolds III. verhaftet blieb, deren Friedfertigkeit und Umsicht sich wohltuend von den kriegerischen Ambitionen ihrer Zeitgenossen abgehoben hatten.

In Österreich wurden mindestens seit der Väter-Generation große Steinkirchen mit aufgesetzten Obergeschoßen in Quadertechnik errichtet, die den Bewohnern des Landes Schutz vor Überfällen gewährten und dem Aufbau von Pfarrgemeinden und Vasallensitzen dienten. Bei ihrer Konstruktion orientierte man sich ganz an den tradierten Bauformen der Romanik; von den Einflüssen der aufkommenden Gotik ist - vielleicht abgesehen von der Höhe der Bauwerke - noch nichts zu spüren.

Doch ging es bei diesen Kirchen nicht um ein architektonisches Experimentieren, sondern um die Erfüllung des konkreten Zwecks, zu dem sie vorgesehen waren. Burggraf Heinrich III. wird sich bei seinen Reisen in die Heimat seiner Gattin von der Sinnhaftigkeit der massiven Kirchen überzeugt und eine gewisse Vorliebe für deren Bauart entwickelt haben, bedeutete doch das Aufsetzen eines Obergeschoßes im Vergleich zum üblichen Landkirchenbau der Burggrafschaft Regensburg zwar keinen stilistischen, aber einen funktionalen Entwicklungsvorsprung.

Schon lange bevor die Erzdiözese Salzburg unter Reichsacht stand, kam der dortige Klerus wegen seiner papstfreundlichen und konservativen Haltung unter den Druck der kaiserlichen Kräfte. Mag sein, dass man unter dem Eindruck der zunehmenden Entfremdung zwischen Papst- und Kaisertum im Herzogtum Bayern den Bau von Schutzkirchen mit Obergeschoß forcierte, als zu erwarten stand, dass alsbald viele Menschen in Not, vor allem papstreue Geistliche und ihre Angehörigen, aus einem mit Krieg überzogenen Salzburger Land in die Nachbarregionen fliehen würden.

So wie es sich darstellt, reagierten zwar vereinzelt auch andere Grafschaften Bayerns mit dem Bau aufnahmefähiger Kirchen, doch war Burggraf Heinrich von Regensburg der einzige Mann von Einfluss, der flächendeckend und systematisch diese starken und aufnahmefähigen Gotteshäuser erbauen ließ - Kirchen, wie sie sich eben auch im benachbarten Niederösterreich fanden. Er tat dies, obwohl, ja vielleicht gerade weil er als Burggraf in einem Bistum residierte, in dem von Seiten des unschlüssig taktierenden Bischofs keine entscheidende Unterstützung zu erwarten war. Immerhin mag Motiv gewesen sein, dass ihm der Bischofsstuhl von Salzburg seit der Zeit Erzbischof Konrads I. wegen familiärer Bande den Pabonen und ihren Verwandten besonders am Herzen lag. Auch dessen Nachfolger, der papsttreue Erzbischof Eberhard von Biburg, gehörte zum selben Stamm. Er hatte im Kloster Prüfening bei Regensburg seine Profess abgelegt und das Kloster Biburg an der Abens geleitet, ehe er den Stuhl von Salzburg bestieg.

Burggraf Heinrich III. konnte sich auf die besondere Religiosität und das Traditionsbewusstsein seiner Untertanen und Anverwandten verlassen, als er so das Erzbistum Salzburg unterstützte. Diese misstrauten der desaströsen Reichskirchenpolitik des Barbarossa ebenso wie er selbst. So finden wir gerade dort, wo Eberhard von Salzburg seine Kirchenkarriere als Mönch der hirsauischen Reformbewegung begann, in der heutigen Hallertau, das Umfeld, das den Bau besonders vieler Kirchen mit Profangeschoßen ermöglichte. In dieser Gegend hatte man wohl auch, als man sich den Übergriffen der Tübinger Fehde ausgesetzt sah, noch nicht ganz die Gräuel der früheren Ungarn-Einfälle vergessen. Als Burggraf Heinrich III. gegen Ende seiner Laufbahn wegen seiner papsttreuen Haltung aus Regensburg verdrängt wurde, zog er sich als Einsiedler genau in diesen Landstrich zurück, in ein Waldstück beim Dorf Ebrantshausen. Aber auch in den sonstigen Stammlanden der burggräflichen Pabonen lassen sich die Kirchen in relativ hoher Dichte nachweisen, z. B. im westlichen Donau- und Kelsgau und an der Altmühl.

Selbst die Menschen in der östlichen Oberpfalz und im Bayerischen Vorwald nahmen auf ihre Weise an diesem Programm der Landesfürsorge teil, wenn auch primär aus anderer Notwendigkeit. Sie waren in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Leidtragenden eines anderen Übels, nämlich der Raubzüge der slawischen Böhmen, welche alle paar Jahre ins Herzogtum Bayern einfielen. Es ist anzunehmen, dass diese geradezu regelmäßigen Einfälle in Bayern mehr Leid und Not nach sich zogen als die zeitweise aufbrechenden Fehden zwischen dem Bischof von Regensburg und den Herzögen. In diesem Punkt waren die Bewohner des östlichen Nordgaus eindeutig Schicksalsgenossen der Bewohner des Nordwaldes in der Ostmark, im Bereich des heutigen Wald- und Weinviertels. Sie alle benötigten Schutzkirchen. Für die Errichtung dieser Kirchen in der "Landgrafschaft auf dem Nordgau" zeichnete wohl vorwiegend der Bruder Burggraf Heinrichs, Landgraf Otto von Stefling und seine Kinder, verantwortlich.

Auch wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil der Bauten verloren ist, ist nicht zu übersehen, dass die restlichen Gegenden des Herzogtums Bayern von dieser speziellen Art des Kirchenbaus nur gering kontaminiert wurden. So findet man in den anderen Grafschaften nur vereinzelte Exemplare von Obergeschoßkirchen, wenn man von einer gewissen Schwerpunktbildung im Chiemgau absieht, wo ebenfalls der Einfluss der Pabonen zum Tragen gekommen sein dürfte. An den langen Anreisewegen der Landgrafen in ihre Alpendomänen findet man ähnliche Kirchen, außerdem Orte, deren Namensnennung auf den Ausgangspunkt Stefling am Regen verweist. Die Verbindung zu den verschwägerten und befreundeten Grafen von Frontenhausen-Lechsgemünd erklärt, dass selbst im Pinzgau, in Osttirol oder im Oberallgäu Obergeschoßkirchen gebaut wurden.

Wer auch immer im Einzelnen der Grund- und Bauherr gewesen sein mag - nur der Lebens- und Wirkungskreis Burggraf Heinrichs III. und seiner in zahlreichen Seitenlinien verzweigten Familie erklärt plausibel den Orbit der Obergeschoßkirchen. Dieses spezifische Verteilungsmuster sei nochmals betont, um die herausragende Stellung des Burggrafen, seiner Frau, seiner Söhne und seines Bruders Otto zu markieren.

Neben dem Schutz der Bevölkerung in Krisenzeiten verfolgten der Burggraf und sein Bruder mit ihrem Kirchenbauprogramm vorrangig Ziele des Landausbaus in ihrem Zuständigkeitsgebiet. Indem sie den Aufbau prosperierender Gemeinden vorantrieben, wirkten sie auch effektiv der Landflucht und dem hemmungslosen Zuzug nach Regensburg entgegen, der in Folge der Kriegswirren in Bayern eingesetzt hatte. Diese Bevölkerungsumschichtung entzog dem weiten Land Substanz an Menschen und Kultur, führte dagegen in der Reichsstadt durch den raschen und ungesteuerten Menschenzustrom zu erheblichen Struktur- und Sicherheitsproblemen - Probleme, wie wir sie ähnlich auch heute kennen. Wie sehr damals der Zuzug nach Regensburg zugenommen hatte, berichten anschaulich die Biographen Bischof Ottos von Bamberg und Erzbischof Eberhards von Salzburg: Während der Regensburger Kanoniker Herbord über "multiplicatis hominibus super numerum", d. h. "die Vervielfachung der Einwohnerzahl über alle Maßen" klagte, bezeichnete der Biograph Eberhards Regensburg als eine "populosissima urbs", d. h. "eine massiv übervölkerte Stadt". Die vielen Stadtbrände in Regensburg, wohl Folge der dichten Bebauung und Übersiedelung, geben ein beredtes Zeugnis davon ab.

Die Probleme der Metropole auf der einen und der Aufschwung der landwirtschaftlichen Produktion auf der anderen Seite erforderten ein neues Strukturkonzept für den ländlichen Raum, die Rekrutierung zusätzlicher Pfarrgemeinden und Ministerialensitze, neben den bereits vorhandenen Burgen und Klöstern. Eine religiös motivierte Landespolitik hatte bereits in der Ostmark unter Markgraf Leopold III. sichtbare Erfolge gezeitigt, warum sollte von diesem Konzept nicht auch der Regensburger Raum profitieren? Der Einfluss der Babenberger Kultur kann in diesem Zusammenhang nicht hoch genug angesetzt werden. Die österreichischen Errungenschaften als wichtigstes Element der Landesentwicklung für die eigene Region nutzbar gemacht zu haben, ist die originäre Leistung Burggraf Heinrichs III. von Regensburg und seiner ersten Frau.

Wie im benachbarten Herzogtum suchte man bei der Organisation der neu errichteten Kirchen einschließlich ihrer Pfarrbenefizien primär dem Patronatsrecht nach Papst Alexander III. zu folgen, wie eine erhaltene Urkunde beweist, musste aber vielleicht wegen der zunehmenden Gefahr der Kollision mit den staufischen Interessen zu unliebsamen Kompromissen bereit sein. So werden, wenn die Kirchen statt in Dorfgemeinden "nur" in einem Edelsitz aufgingen, nicht selten die Pfarrstellen unbesetzt geblieben und stattdessen ein sogenannter "vicarius ad nutum amovibilis" angestellt worden sein, zu Diensten der neuen Herren. Der Entwicklung einer Dorfgemeinde diente dies jedoch nicht; und so erklärt sich die heute oft einsame Lage so mancher Kirche. Zu einer Zeit, als der Bau der Kirchen in der Burggrafschaft Regensburg bereits erschwert wurde, dehnte Burggraf Heinrich durch ein weiteres Ehebündnis mit dem Grafenhaus von Oettingen seine Politik der religiösen und strukturellen Erneuerung und damit die Initiierung von Profangeschoßkirchen auch auf das Bistum Eichstätt aus.

Heinrichs kirchenfreundliches Modell endete jäh mit der zunehmenden Anfeindung durch Kaiser Friedrich Barbarossa. Als die Erzdiözese Salzburg mir Reichsacht belegt wurde, wurde auch der Burggraf "in persona" zum Quasi-Geächteten. Der Bau der Gotteshäuser ging wohl auch in der Zeit der politischen Bedeutungslosigkeit des Burggrafen weiter, aber nunmehr deutlich langsamer und vielleicht auch in minderer Qualität, so wie man es bei einigen Kirchen im Bereich ihrer Mauerkränze und Oberstockwerke nachvollziehen kann. Alles in allem sind für die Kirchen wegen der aufwendigen Konstruktion relativ lange Erbauungszeiträume anzunehmen; vereinzelt trifft man auf Exemplare, die erst gegen Ende des Jahrhunderts oder danach fertig wurden.

In den Jahren zwischen 1166 und 1177 - der erste Zeitpunkt markiert den Beginn der inneren Konversion Heinrichs III. und der letzte die Anerkennung Papst Alexanders III. durch Friedrich Barbarossa - lag das Burggrafenamt in Regensburg faktisch brach. Kaum eine Urkunde, kaum ein sonstiger Beleg ist erhalten geblieben, die eine bedeutsame Tätigkeit der Pabonen in diesem Zeitraum belegen, von der Förderung des Templerordens im Kels- und Sulzgau einmal abgesehen.

Auf größere Einnahmen aus dem Burggrafenamt musste die nachfolgenden Söhne Heinrichs nun verzichten, so ist auch nicht anzunehmen, dass sie von sich aus und erst jetzt die flächendeckende Errichtung von Landkirchen mit profanem Obergeschoß in Gang gesetzt hätten. Als Protagonisten des hier untersuchten Kirchentypus scheiden die Nachfahren deshalb aus. Es ist aber anzunehmen, dass die Kinder die Idee der Elterngeneration in deren Sinn weiterführten. Gerade Friedrich, der Stammhalter, war viel im benachbarten Niederösterreich unterwegs. Mag sein, dass er und seine Schwester, die sich dorthin verheiratet hatte, besonders von den Errungenschaften der Babenberger durchdrungen wurden. Weitergehende Informationen über diese Zeit nach Heinrich III. liegen jedoch nicht vor.

Die Zeitspanne, die zwischen dem Wiedereintritt der Nachfahren Heinrichs III. ins Burggrafenamt (um 1178) und ihrem Aussterben im Jahr 1184 lag, war ihrerseits zu kurz, um den Entwicklungsschub für die Landkirchen mit profanem Obergeschoß auszulösen. Dennoch wird die eine oder andere Kirche auch zu Ende des 12. Jahrhunderts noch begonnen worden sein, vor allem im Kelsgau, was durch die Kirchenweihen Bischof Ottos von Eichstätt belegt ist. Für den Eichstätter Domprobst Walbrun von Rieshofen, dem Erbauer des Heiligen Grabes im Schottenkloster von Eichstätt und dem vermutlich aus denselben Ministerialengeschlecht stammenden Bischof Otto kann man Sympathien für die Pabonen, ja vielleicht sogar verwandtschaftliche Bezüge mit vernünftigen historischen Argumenten postulieren. Nach Jahren der Stagnation unter staufisch beeinflusster Dompolitik scheinen sich jedenfalls im Eichstätter Domkapitel im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts zunehmend die Vertreter einer traditionell gesinnten Fraktion durchgesetzt zu haben, welche die Konzepte pabonischer Kirchenbaupolitik einschließlich der Ansiedlung und Förderung des Templerordens im Eichstätter Bistum nochmals aufnahmen.

Was den zu dieser Zeit bereits verschollenen oder gar verstorbenen Burggraf Heinrich III. anbelangte, der in seiner letzten Lebensdekade ein Opfer des Stauferhofes und damit ein Verfemter gewesen war, so setzte zur selben Zeit - und vielleicht aus demselben Grund! - im bayerischen Volk eine zunehmende Verehrung ein, was den ihm und seiner Familie verbundenen Ministerialen auf dem Land zusätzliche Impulse verlieh, die Kirchenbau-Tradition ihrer ehemaligen Lehnsherrn noch eine Zeit lang fortzusetzen, zumal viele Gefährdungen auch nach Auflösung des Schismas nicht aufgehört hatten zu existieren. Jedenfalls strahlt der Bau der Landkirchen mit profanem Obergeschoß über die Grenzen der Burggrafschaft Regensburg und die Lebenszeit Heinrichs III. um ein Weniges hinaus.

Erst als die Burg- und Landgrafen definitiv in Vergessenheit geraten waren und ihr reiches Erbe zwischen den Bischöfen und dem Herzog von Bayern verteilt war, erst als die Wittelsbacher als Erbherzöge mit anderer Doktrin und anderen Getreuen das Land regierten, sistierte der Obergeschoßkirchenbau vollständig. Viele Kirchenstandorte wurden nun wieder aufgegeben. Im Gegensatz dazu ging entsprechend der militärischen Erfordernis der Zeit der Ausbau der Burgen als Wittelsbachische Ministerialensitze zügig voran. Die Schaffung von Sakralräumen war dabei eher eine Zutat, deshalb sind in dieser Zeit mit wenigen Ausnahmen lediglich Burgkapellen im üblichen Sinn nachzuweisen.

Es ist als Ironie des Schicksals anzusehen, wenn ein Teil der Obergeschoßkirchen, die letztendlich auch als Produkt des kirchlich-staufischen Gegensatzes anzusehen sind, nach 1188 in den Besitz jenes Mannes fielen, der für den Konflikt verantwortlich zeichnete und den amtierenden Burggrafen von Regensburg ausgeschaltet hatte - Friedrich Barbarossa. Er überlebte diesen Besitzzuwachs allerdings nur kurz.

Wenn man in Kenntnis der Spezifika, die sich aus der Biographie der handelnden Personen und aus dem Babenberger Kirchenbauprogramm ergeben, nochmals auf die Funktion der profanen Obergeschoße schließen will, so wird man sich im Allgemeinen auf Schutzräume einigen können, d. h. auf Bergeräume für Hab und Gut, für Leib und Seele im weitesten Sinn. Dass die so ausgestatteten Schutzkirchen - und so wollen wir die romanischen Landkirchen mit profanem Obergeschoß abschließend nennen - den weiteren Landausbau und die Etablierung von Ministerialensitzen förderten, widersprach dem nicht, ganz im Gegenteil: Die Funktionen verbanden und ergänzten sich.

Kirchen mit ähnlicher Funktion aus nahezu derselben Zeit haben wir übrigens auch im nördlichen Sachsen-Anhalt, in der sogenannten Altmark gefunden, wobei die Schutzräume allerdings ausschließlich in eigens dafür errichteten, querrechteckigen, zum Teil recht wuchtigen Westtürmen lagen. Die typischen Obereinstiege dieser Türme heißen dort gemäß niederdeutscher Mundart Luerlock (Lauerloch). Die Altmark befand sich damals in Händen Markgraf Albrechts des Bären und seiner Nachfahren, kirchenrechtlich unterstand ein Großteil der Kirchen dem Bistum Halberstadt (Ost-Altmark). Ob bei der Idee dieser Türme, die wohl in erster Linie als Ministerialen- und Schutztürme gegen die Bedrohung durch die Elbslawen oder die Auseinandersetzungen zwischen den Askaniern und den Welfen unter Heinrich dem Löwen konzipiert worden waren, indirekt auch süddeutscher Einfluss zur Geltung kam, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls sind die meisten dieser Trutzbauten zeitlich etwas später als die hier besprochenen Kirchen zu verorten und bezüglich des/der adeligen Ideengeber u. W. bis heute nicht eindeutig definiert.

Was jedoch das ehemalige Herzogtum Bayern und die Ostmark anbelangt, so wurde in einer Quelle von 1310 - der einzigen, die uns in dieser Form bekannt geworden ist und die nicht zufällig aus dem benachbarten Niederösterreich stammt - die Doppelrolle als Schutzort und Herrschaftssitz expressis verbis erwähnt. Im "liber fundatorum" des Stiftes Zwettl spiegelt bei der Beschreibung des ersten Kuenringerstützpunktes von Zwettl die Wahl des Terminus "presidium" neben der avisierten Rolle als Residenzort - mit einer Profangeschoßkirche im Zentrum - auch deren Schutzfunktion wider [08].

Auch wenn sich am Ende die Theorie A. Trapps bestätigt hat, nämlich dass die Oberräume speziell Platz für Kirchenasylanten boten, wollen wir die Asyltheorie nicht in der Ausschließlichkeit vertreten, wie es dieser Autor tat. Es gab nämlich, wie bereits geschildert, auch andere Situationen, in denen damals Schutz für Leib, Leben und Besitz erforderlich war. Wenn die marodierenden Horden böhmischer Invasoren durchs Land zogen, leisteten die profanen Obergeschoße selbstredend gleichmaßen gute Dienste. Die Pilgerstätten-Theorie muss gegenüber der Definition als Schutzkirche zurückstehen, wobei natürlich nicht auszuschließen ist, dass in Friedenszeiten die Oberräume zeitweise und ortsabhängig auch von Pilgern genutzt wurden.

In der variablen Nutzbarkeit der Schutzräume - vom Aufbewahrungsort für Saatgetreide und Pretiosen bis hin zum Zufluchtsort für Asylanten und sonstige Verfolgte - sind wir uns einig mit E. Grunsky, der in seiner Dissertation über doppelgeschoßige Johanniterkirchen die hier besprochenen Kirchen mit profanem Obergeschoß nur beiläufig gestreift hat, aber treffsicher urteilte:

"Die feste und ausschließliche Bindung einer Bauform an eine einzige Zweckerfüllung scheint zu sehr modernem, funktional bestimmtem Architekturdenken verhaftet zu sein. Vor allem solange keine zeitgenössischen Quellen vorliegen, wird man die Deutung der Kapellen mit profanem Obergeschoß nicht auf eine Funktion allein fixieren dürfen, zumal ja Asylort und Pilgerherberge nicht gerade gegensätzliche Bestimmungen sind. Es scheint durchaus möglich, dass bei einer Kirche der niedrige Oberraum Asylstätte war, bei einer anderen aber Pilgerunterkunft, oder dass beide Zwecke gleichzeitig erfüllt wurden... Obwohl die Kapellen mit profanen Obergeschoßen historisch nicht immer mit einem Edelsitz verbunden werden können, bleibt als wichtiges Charakteristikum festzuhalten, dass der Bautyp sich herrschaftlichen Baugedanken eng anschließt, wobei man aber, wo sich kein Adelsitz nachweisen lässt, in Betracht ziehen muss, dass Westempore und Doppelkapelle nicht immer herrschaftlichen Bedürfnissen entstammen, sondern ihre Interpretation in dem niedrigen Obergeschoß finden, da die Bestimmung beider Raumbereiche - Empore bzw. Oberkapelle und profanes Obergeschoß - für denselben Personenkreis durch die architektonische Disposition in den meisten Fällen unzweifelhaft ist." [09]

Ähnlich äußerte sich später, wenngleich fixiert auf die sog. "Burgkapellen" unter den Kirchen und ohne die spezifischen Zusammenhänge mit den Burggrafen von Regensburg zu kennen, auch R. Jakob:

"…Es hat augenscheinlich das kirchliche Rechtsdenken der noch monastisch geprägten Zeit seinerseits in vielen, wenn auch nicht in allen Fällen dazu beigetragen, die Burgkapellen in bestimmter Weise zu gestalten, auszustatten, Obergeschoßräume über und in Verbindung mit ihnen, Kapellen mit profanen Obergeschoßen zu errichten, Zufluchtsstätten zu schaffen, die die hochmittelalterliche Rechtsauffassung zu veranschaulichen vermögen, letztlich aber eine bauliche Folgeerscheinung des Investiturstreites und damit der ‚kirchlichen Friedensbewegung‘ darstellen… So müssen die Obergeschoße der Burgkapellen, soweit sie vorhanden sind oder waren, zwar nicht notwendig auch Wehranlagen gewesen sein, sie lassen jedoch durch die meisten ihrer Zugänge ein vorhanden gewesenes Schutzbedürfnis erkennen, ein Schutzbedürfnis, das gewöhnlich kirchenrechtlich abgesichert worden war. Man sollte sich allerdings davor hüten… zu verallgemeinern, und in den Kapellen mit profanen Obergeschoßen nicht ausschließlich Asylkapellen sehen, eher einen altbayerischen Kompromiss bautraditionsbedingter Möglichkeiten mit aktuellen Notwendigkeiten…" [10]

Wir hoffen, zu diesen eher intuitiv vorgetragenen, in der Konsequenz aber richtigen und historisch konsistenten Urteilen den argumentativen Unterbau in dieser Arbeit ausreichend geliefert zu haben.

 


[01] Schon Markgraf Leopold II. hatte sich als bekennender Gregorianer gegen Kaiser Heinrich IV. gestellt, weswegen ihn dieser mit Krieg überzog.

[02] Z. B am "Ungarntor" und am Torturm der Burg Hainburg, aber auch der Rundkirche von Petronell, an der Latrinenanlage des Stiftes Zwettl und an der Westfassade der Stiftskirche Heiligenkreuz.

[03] Siehe z. B. Urkundenbuch des Landes ob der Enns, Wien 1856, Bd. 2, S. 239.

[04] Siehe O. Mitis: Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger, Bd. 1, Nr. 99. Die Urkunde ist nur fragmentarisch in einer deutschen Übersetzung aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts überliefert.

[05] Ihr rot-weiß-roter Bindenschild soll damals von den Babenbergern übernommen sein, was noch heute die Landesfarben Österreichs bedingt. Hierzu existieren jedoch auch einige andere Theorien. Es erschiene uns sehr ungewöhnlich, wenn die Babenberger das Wappen untergeordneter Grafen übernommen hätten.

[06] Die "Rosenburg" auf dem "Rosenberg". Erwähnt ist zumindest im Jahr 1175 ein Ministeriale namens "Godezwin de Rosenberc". Das Toponym "von Rosenberg" könnte, wenn es keine Analogie zur Rosenburg im Altmühltal darstellt, auch auf die Burg Rosenberg in der heutigen Oberpfalz verweisen, welche um 1100 Ministerialen der Grafen von Sulzbach, von denen auch die Grafen von Poigen in direkter Linie abstammten, errichtet hatten. Diese Leute führten im Wappen eine Rose und nannten sich später nach Königstein, ihrer jüngeren Gründung, zu der auch die Burgkapelle von Breitenstein gehört, eine Kirche mit profanem Obergeschoß (siehe oben). Die Linie der Rosenberger bei Sulzbach erlosch um 1252. Die Namen Rosenberg und Rosenburg aus derselben Zeit finden sich übrigens auch bei einer Burg in der Schweiz, im Kanton Appenzell, nördlich von Herisau. Sie gilt zwar als Rorschacher Gründung, wir erinnern uns jedoch daran, dass eine Tochter Landgraf Ottos II. von Stefling einen Herrn von Teufen heiratete. Falls dieses Teufen doch nicht im Zürichgau lag, sondern dem unmittelbar bei Herisau gelegenen entspricht, hätten wir auch hier eine plausible Erklärung für die Namensgebung. Siehe auch Kapitel "Die Landgrafen von Stefling".

[07] Im "Liber fundatorum" des Stiftes Zwettl von 1310 finden sich zwei Diplome aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die jeweils einen "Wiepoto" und "Heinricus de Rietenburch" ausweisen. Siehe "Fontes rerum Austriacarum", Abt. 2, Bd. 3, Wien 1851, S. 86f. und 112f. Auf einem Stich der Städte Horn und Drosendorf von C. Merian aus dem Jahr 1656 ist der inzwischen abgegangene Ort Riedenburg mit seiner Nikolaus-Kirche auf einer Hangkante hoch deutlich zu erkennen. Die Kirche stellt sich als hoher und schmaler Bau mit Dachreiter dar, die Umgebungsstrukturen sind relativ bescheiden. Ob es sich um eine Kirche mit profanem Obergeschoß gehandelt hat?

[08] Der Verfasser der "Zwettler Bärenhaut" schrieb um 1310: "item secundum alios predium etiam dicitur quasi presidium - so wird nach anderen Quellen das Gut Zwettl auch gleichsam Präsidium, d. h. Schutz- und Herrschaftszentrum, genannt…" Siehe "Fontes rerum Austriacarum", Abt. 2, Bd. 3, Wien 1851, S. 34. Gemeint ist die erste Niederlassung Hadmars I. von Kuenring auf dem Propsteiberg von Zwettl. Für die Existenz einer gemauerten Kuenringer-Burg mit Ringmauer und multiplen Gebäuden auf dem Propsteiberg von Zwettl gibt es keinerlei archäologische Evidenz, wenn man von der besonders dicken Ostmauer des Propsteigebäudes absieht, welche in ihrer Einmaligkeit auf den Fundamenten des vormaligen Herrenhauses errichtet sein könnte. Es dürfte sich bei dem ersten Gebäudekomplex der Kuenringer um einen von einem Wall-Graben-System umgebenen Hof oder um ein Herrenhaus gehandelt haben, von dem ein Obereinstieg in die Propsteikirche mit ihrem Profangeschoß herübergeführte, welche das eigentliche Herrschafts- und Pfarrzentrum des "predium" Zwettl darstellte. Insofern besteht in Zwettl eine nahezu identische Konfiguration wie bei zahlreichen Obergeschoßkirchen Altbayerns. Wie gut die Schutzfunktion des profanen Obergeschoßes in Zwettl selbst in späteren Zeiten zu nutzen war, geht aus den Annalen zum habsburgischen Landeskrieg 1462 hervor, als sich der Feldherr Siegmar von Puchheim in der Propsteikirche festsetzte und diese zu seinem "Berg Tabor", d. h. zu seiner Festung, machte, und dies, obwohl sonstige Befestigungsanlagen fehlten: "Siegmund von Puecheimb, der danach auch imnamb die Pfarrkirchen zue Zwettl und macht daraus einen Thaber…" Aus: Anonyme deutsche Chronik Österreichs, Frankfurt 1739, S.

[09] Siehe E. Grunsky: Doppelgeschoßige Johanniterkirchen und verwandte Bauten, Studien zur Typengeschichte mittelalterlicher Hospitalarchitektur, Dissertation, Tübingen 1970, S. 267f.

[10] Siehe R. Jakob: Zur Problematik mittelalterlicher Asylkapellen, in: Oberpfälzer Heimat, Bd. 26, Weiden 1982, S. 22f.

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